Der verlorene Engel von Ulrike Eisen

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Der verlorene Engel

Ulrike Eisen

1. Szene:

Erzähler:
In dieser Nacht will Gott in die Welt zu den Menschen kommen. Eine kleine Gruppe von Engeln ist schon auf dem Weg, um seine Ankunft vorzubereiten.
1. Engel:
Ich muss dafür sorgen, dass alles seine Ordnung hat. Wir müssen uns beeilen, es gibt noch viel zu tun.
2. Engel:
Ich empfange die beiden.
3. Engel:
Ich muss den Stall putzen und aufräumen. Die Frau und der Mann wollen bestimmt nicht im Dreck schlafen.
1. Engel:
Die Frau heißt Maria und ihr Mann Josef. Vergesst nicht, dass wir den Menschen noch Bescheid sagen müssen!
(laufen vor und in die Sakristei)
Erzähler:
Die Engel waren so beschäftigt, dass sie gar nicht bemerkten, dass ihr Jüngster, der kleine Engel, nicht mitkam.
Kleiner Engel:
He!! Wartet!! Halt, stopp! Ich komme nicht mit! He!
(Steht auf und läuft aus einer Bank hinter den anderen her. Er hat ein weißes Tuch in der Hand. Er bleibt vor dem Altar)
Kleiner Engel:
Was mach ich jetzt denn bloß ?? Wo soll ich denn hin? Ich muss die anderen suchen! Aber wo sind sie? Und wo soll der Stall sein? Maria braucht doch das Tuch!!

2. Szene

(Hektiker läuft schnell von Sakristei zum Christbaum)
Kleiner Engel:
He, du! Wart doch mal!
Hektiker:
Ja? Was gibt’s denn?
Kleiner Engel:
Kannst du mir vielleicht helfen?
Hektiker:
Ja, aber schnell!
Kleiner Engel:
Weißt du, wo Gott in die Welt kommt?
Hektiker:
Gott? In die Welt? Nö, so was interessiert mich nicht. (rennt weiter zum Baum)
Erzähler:
Der kleine Engel konnte nicht glauben, was er eben gehört hatte. Gott kommt in die Welt und es gibt tatsächlich welche, die das nicht interessierte.
Kleiner Engel:
Super. Und jetzt? Ich muss ein paar Menschen suchen, vielleicht gibt es noch welche, die das interessiert und mir helfen können.

3. Szene

Erzähler:
Der kleine Engel lief eine Weile bis er wieder einen Menschen sah, den er um Hilfe bitten konnte.
Kleiner Engel:
Hallo! Grüß Gott!
Armer:
Ja, wenn ich ihn treffe…
Kleiner Engel:
Wen?
Armer:
Na, Gott natürlich,
Kleiner Engel:
Ach so, sag mal, weißt du wo ich Gott heute Abend finde? Weißt du, wo Gott in die Welt kommt?
Armer:
Na, bei mir war er noch nicht. Schau doch, meine Kleidung ist alt. Meine Wohnung kalt. Meine Familie und ich haben schon lange nichts mehr zu essen.
Kleiner Engel:
Das ist schade. Hast du keine Idee, wo Gott in die Welt kommt?
Armer:
Na wo wohl, hm. Bei den Reichen da oben natürlich.
Kleiner Engel:
Warum?
Armer:
Na, weil die für alles Geld haben. Die können sich alles kaufen.
Kleiner Engel:
Auch Glück?
Armer:
Hm, nein, Glück kann man sich, glaub ich, nicht kaufen. Aber Gott ist bestimmt bei denen da.
Kleiner Engel:
Aber die brauchen Gott doch gar nicht.
Armer:
Hast auch wieder Recht. Aber ich, ich schaff es bald nicht mehr alleine. Grüß Gott von mir, wenn du ihn triffst. (Geht ab)

4. Szene

Erzähler:
Nun stand der kleine Engel wieder alleine da. Er wusste immer noch nicht, wo er nach Gott suchen sollte.
Kleiner Engel:
Was hast du denn gemacht?
(setzt sich zu ihm)
Verletzter:
Da sind so ein paar gekommen und haben mich zu Boden geschubst. (spricht leise)
Kleiner Engel:
Warum?
Verletzter:
Weil ich nicht so stark wie die anderen bin. Sie mögen mich nicht.
Kleiner Engel:
Wenn Gott kommt, wird er dir bestimmt helfen.
Verletzter:
Ja! Der soll nur kommen und es den anderen mal (ruft energisch und steht auf) zeigen! Er soll für Gerechtigkeit sorgen!
Kleiner Engel:
Und wie macht man das?
Verletzter:
Na, mit Schlägen! Er soll seine himmlischen Heerscharen schicken und allen seine Macht zeigen!
(läuft in die Sakristei)
Kleiner Engel:
Ob Gott ihm so helfen wird
Erzähler:
Auch dieser Mensch konnte dem kleinen Engel nicht helfen. Aber der kleine Engel will nicht aufgeben, er will weiter suchen. Irgendwo muss es doch noch Menschen geben, die ihm helfen können.

5. Szene

Predigerin:
Gott kommt in die Welt und allen geht es gut! Keine Krankheiten mehr! Alle sind glücklich! (begeistert)
Kleiner Engel:
Diese Frau redet von Gott! Sie kann mir bestimmt helfen! (zur Gemeinde)
Predigerin:
Niemand wird mehr Hunger haben. Niemand wird mehrleiden müssen. Niemand wird mehr einen Grund haben, sich zu beklagen…..
Kleiner Engel:
Und wer macht das?
Predigerin:
Gott kommt und es geschieht einfach.
Kleiner Engel:
Und was machen die Menschen dafür?
Predigerin:
Äh, wir warten einfach darauf. Was sollen wir auch sonst tun? Gott wird kommen und schon alles richten. (verwirrt)
Kleiner Engel:
Reicht das denn? (ungläubig)
(die anderen Engel kommen von der Sakristei auf die Bühne. Sie sind froh, dass sie ihn gefunden haben)
2. Engel:
Endlich haben wir dich gefunden!
3. Engel:
Immer muss man euch suchen. Die kleinen Engel verschwinden immer so schnell, eben waren sie noch da und plötzlich sind sie weg!
Kleiner Engel:
Ihr ward so schnell und dann ward ihr plötzlich weg. Aber ich habe viele Menschen getroffen, die..
1. Engel:
Komm, wir müssen uns beeilen. Wir haben kaum noch Zeit. Es ist gleich soweit. Gott kommt in die Welt. Heute Nacht noch.
(alle gehen ab)

6. Szene

Erzähler:
Es begab sich aber zu der Zeit, das Augustus Kaiser war und alle Welt zählen ließ. Jeder soll sich in seine Geburtsstadt begeben und sich zählen lassen. So machten sich auch Josef und Maria auf den Weg nach Bethlehem. Maria sollte bald ihr erstes Kind bekommen. Doch alle Herbergen waren ausgebucht und Josef und Maria hatten kein Zimmer. (Maria &Josef gehen von der Tür zum Altar und warten davor)
Josef:
Alle Herbergen sind belegt. Nur dieser Stall ist noch frei.(Engel laufen hinter dem Altar hervor, Engel 2 läuft zu Maria und Josef)
2. Engel:
Seid uns willkommen, Maria und Josef.
Kleiner Engel:
Ich muss ihr ja noch das Tuch geben.
(läuft zu Maria und gibt ihr das Tuch. Währendessen gehen Maria und Josef zum Stall. Maria setzt sich hin. Die Engel laufen mit und stellen sich daneben.)
Erzähler:
Und Maria gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in die Krippe.
1. Engel:
Gottes Sohn ist da ! Der wird die Menschen verändern!
3. Engel:
Wir müssen noch den Menschen Bescheid sagen, dass der Heiland geboren wurde!
Kleiner Engel:
Geht ihr nur, ich muss noch ein paar Menschen holen.
(Engel laufen los)
Erzähler:
Und es waren Engel in der Nacht auf dem Felde. Sie hüteten die Schafe. Da kamen die Engel und sprachen zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Ich verkünde euch frohe Nachricht! Euch ist heute der Heiland geboren, geht und sehet selbst. Ihr werdet ihn finden, in Windeln gewickelt in der Krippe liegen.
(Kleiner Engel läuft vor die Kanzel und spricht zu Hektiker, Armer, Verletzter und Predigerin)
Kleiner Engel:
Gott ist heute für euch in die Welt gekommen. Kommt mit, ich kenne jetzt den Weg.
(laufen zusammen zum Stall)